'Wir alle spielen eine Rolle'

Philippa von Schönfeld - Freitag, 10.12.2021
Dr. Alyson McGregor steht vor einem blaugrünen Hintergrund.

Geschlecht und Gender haben einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Wieso Geschlechtsunterschiede in der Medizin immer noch unterschätzt werden und was wir im Alltag dagegen tun können, darüber sprechen wir mit Notfallmedizinerin Dr. Alyson McGregor.

AMBOSS-Blog: Die Gendermedizin zielt darauf ab, allen Menschen zugute zu kommen. Sie wird jedoch häufig mit Frauengesundheit verwechselt, deren Fokus wiederum oft die Reproduktionsmedizin ist. Warum gibt es eine solche Diskrepanz zwischen Männer- und Frauengesundheit?

Dr. Alyson McGregor: Als wir begannen, Forschung und klinische Studien zu betreiben sowie wissenschaftliche Methoden und Forschungsprozesse zu entwickelten, betrachteten wir Frauen aufgrund ihres Menstruationszyklus als schutzbedürftig – was, wenn sie schwanger würden? Außerdem wurden Frauen als Probandinnen wegen der Fluktuation von Östrogen und Progesteron als kompliziert angesehen. Daher basiert unser grundlegendes Verständnis von Krankheiten auf der Erforschung dieser Krankheiten bei Männern. Das Einzige, was wir bei Männern nicht untersuchen konnten, waren Aspekte der weiblichen Fortpflanzung. Also untersuchten wir die Menopause, die Menstruation und die Geburt bei Frauen, was schließlich mit Frauenheilkunde gleichgesetzt wurde. Bei Frauengesundheit dachten wir also nur an die Körperteile, die sich von denen der Männer unterscheiden. Damit haben wir den Frauen einen Bärendienst erwiesen, weil wir somit davon ausgingen, dass sie genau wie Männer reagieren, genauso einen Herzinfarkt erleiden und genauso Medikamente verstoffwechseln würden. Und jetzt merken wir, dass das nicht stimmt.

AMBOSS: Wie würden Sie "Gendermedizin" definieren?

McGregor: Zunächst ist es hilfreich, einige der Begriffe zu definieren, die sich in den letzten zehn Jahren entwickelt haben. Betrachten wir die Begriffe "Geschlecht" (engl. “sex”) und "Gender": Wenn wir von "Geschlecht" reden, dann denken wir an eine biologische Variable, nämlich die Geschlechtschromosomen, also ob man mit XX oder XY in jeder Zelle des Körpers geboren wurde. Wie wirkt sich das auf die Anfälligkeit für Krankheiten und Infektionen sowie den Hormonhaushalt aus? "Gender" verstehen wir als eine soziokulturelle Variable, etwas, das sich Menschen aussuchen können oder das sie als etwas empfinden, in das sie hineingeboren wurden. Für nicht-binäre Menschen gibt es noch mehr Optionen, zum Beispiel beiden Gendern oder keinem anzugehören. Und das wirkt sich auch auf Gesundheit und Wohlbefinden aus! Wenn ein Mensch sich als ein bestimmtes Gender vorstellt, werden von ihm bestimmte soziokulturelle Rollen erwartet. Wer sich als Frau ausweist, erfährt andere gesellschaftliche Erwartungen als jemand, der sich als Mann ausweist, und das kann sich auf die Gesundheit auswirken. Wenn wir diese Überlegungen bei der medizinischen Versorgung berücksichtigen, praktizieren wir geschlechts- oder genderspezifische evidenzbasierte Medizin. Wir passen unsere Medikamente und die von uns angeordneten Tests an und interpretieren Letztere auf der Grundlage des biologischen Geschlechts oder der Genderidentität von Patient:innen. Die Gendermedizin ist also eine stärker personalisierte und maßgeschneiderte Art der Behandlung.

AMBOSS: Sie sind Notfallmedizinerin. Was verbindet dieses Feld mit Gendermedizin?

McGregor: In der Notaufnahme interagieren all diese Komponenten miteinander. Was im wirklichen Leben passieren kann, kommt auch in die Notaufnahme. Als Notfallmedizinerin konnte ich sehen, dass wir in bestimmten Bereichen Fortschritte machen, aber oft eher bei Männern als bei Frauen. Ich habe neue, evidenzbasierte Behandlungsoptionen und diagnostische Tests bei Erkrankungen erlebt, die für die öffentliche Gesundheit von großer Bedeutung sind: von Herzinfarkten und Schlaganfällen bis hin zu Infektionen, Traumata und Schmerzsyndromen, die bei Frauen häufiger auftreten, und Medikamenten, die bei Frauen zu mehr Nebenwirkungen führen als bei Männern. Bei jeder meinen Schichten in der Klinik ist das Thema präsent. Es steckt in den Gesprächen mit Frauen, die das Gefühl haben, missverstanden oder falsch diagnostiziert worden zu sein. Bei meiner Arbeit in diesem klinischen Umfeld habe ich viele Beispiele dafür gesammelt, wie wichtig es ist, sich von dem Konzept wegzubewegen, dass Männer den Standard darstellen.

AMBOSS: Wann ist dieser Gender-Bias besonders gefährlich?

McGregor: Eines der größten Probleme ist die Art und Weise, wie wir Menschen in Gesundheitsberufen dafür ausbilden, Krankheiten zu erkennen: Wie sieht ein Herzinfarkt aus? Wie wird er beschrieben? Wie sieht ein Schlaganfall aus und wie beschreiben ihn Betroffene? Wie fühlt sich eine Blinddarmentzündung an? Die Grundlage für all diese Erkenntnisse und Bildung stammt von männlichen Patienten. Die meisten Frauen denken, dass sie auf Symptome achten sollten, die typisch für Männer sind. Bis Frauen überhaupt in die Notaufnahme kommen, vergeht eine Menge Zeit. Und dann gibt es eine weitere Verzögerung, bis Mitarbeitende an vorderster Front erkennen, dass es sich um etwas Ernstes handeln könnte, oder bis sie bestimmte Krankheiten erkennen, die sich aufgrund unseres Geschlechts anders manifestieren. Frauen sind gefühlsbetonter und das hilft uns bei der Kommunikation und beim Verständnis. Aber es kann so wirken, als ob die Emotionen das Problem wären, anstatt Ausdruck eines Problems, das erst noch diagnostiziert werden muss.

AMBOSS: Wie können wir als Menschen in Gesundheitsberufen aktiv gegen diesen Bias vorgehen und Betroffene besser verstehen, egal ob sie weiblich, männlich, transgender oder nicht-binär sind?

McGregor: Eines der wichtigsten Dinge, die Menschen in einem Gesundheitsberuf tun sollten, wenn sie einem Menschen zum ersten Mal begegnen, ist zu erfragen, welches biologische Geschlecht ihm bei der Geburt zugewiesen wurde und was die aktuelle Geschlechtsidentität ist. Das ist vielleicht nicht offensichtlich, da nicht alle Optionen auf den ersten Blick sichtbar sind. Eine Möglichkeit, das Thema sanft anzusprechen, besteht darin, die eigene Identität anzubieten. Ich sage oft: "Ich bin Dr. McGregor. Meine Pronomen sind ‘sie’ und ‘ihr’. Was ist Ihre Genderidentität und welche Pronomen bevorzugen Sie?". Und so wird ermittelt, was man wissen muss, um in der Literatur zu recherchieren, bevor man mit der medizinischen Versorgung beginnt, ganz gleich auf welchem Fachgebiet.

AMBOSS: Welche Ressourcen gibt es, um weitere Informationen zu finden?

McGregor: Auf sexandgenderhealth.org gibt es ein großartiges PubMed-Suchwerkzeug. Außerdem gibt es ein neues Lehrbuch mit dem Titel "How Sex And Gender Impacts Clinical Practice". Es liefert die aktuellsten Erkenntnisse über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen und enthält zahlreiche Tabellen, Diagramme und Checklisten. Es wird versucht, das Thema weniger einschüchternd darzustellen und zu zeigen, dass die Informationen bereits gesammelt wurden; man muss nur noch das jeweilige Thema nachschlagen. Das ist also sehr praktisch für die medizinische Lehre. Vor ein paar Jahren habe ich "The Sex And Gender In Acute Care” geschrieben. Es geht verschiedene Diagnosen in der Notaufnahme durch und zeigt Unterschiede bei den biologischen Geschlechtern und Gendern in der wissenschaftlichen Literatur auf und wie sich diese in klinischen Fällen darstellen. Auf der Website sexandgenderhealth.org finden sich zahlreiche Ressourcen, darunter auch vollständige Präsentationen. Wenn man etwa eine Vorlesung zum Thema Harnwegsinfektionen hält, kann man die Slides einfach herunterladen. Es gibt Kolleg:innen da draußen, die versuchen, diese Informationen zugänglich zu machen. Aber unser Hauptaugenmerk liegt auf der Längsschnittintegration. Wir möchten, dass in allen Vorlesungen, Diskussionen in Kleingruppen und Fall-basierten Studien diese Fragen angegangen werden: Was würde passieren, wenn dies ein Mensch männlichen Geschlechts wäre? Was würde passieren, wenn es sich um einen Menschen weiblichen Geschlechts handeln würde? Was, wenn es eine transgender Person wäre oder eine Person of Color? Ändert das etwas an der Untersuchung, der Diagnose? Das sollte Teil der Lehrpläne sein. Ich glaube, Menschen treten mit dem Wissen eine medizinische Laufbahn an, dass die Medizin sich weiterentwickelt. Aber man muss sie auch selbst weiterentwickeln. Das ist einfach gute Wissenschaft. Es geht darum, Erkenntnisse auf den neuesten Stand zu bringen. Dem fühlen  wir uns verpflichtet.

AMBOSS: Wie können wir diese Erkenntnisse in unseren Alltag integrieren?

McGregor: Im Medizinstudium wird den Studierenden beigebracht, wie sie einen Fall vorstellen: "Dies ist ein 43-jähriger, männlicher Patient, der sich mit Unterleibsschmerzen vorstellt." Und diese Information, "männlich", wird nie wieder in die Abklärung oder die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen. Wir müssen sie aber in unseren gesamten Denkprozess einfließen lassen: wenn wir nachschauen, welche Medikamente und welche Dosierung wir brauchen und wenn wir über die Limitationen sprechen. Wir müssen sie nutzen, wenn wir uns Referenzbereiche ansehen. Wenn wir Werte wie Hämoglobin oder Troponin bestimmen, gibt es unterschiedliche Referenzbereiche, je nachdem, ob das biologische Geschlecht männlich oder weiblich ist. Und wenn das bewusst in den Prozess einbezogen wird – egal in welchem Fachgebiet – dann wird es dazu beitragen, solche Bias abzuschwächen. In der Notfallmedizin werden wir während unserer Facharztausbildung eingehend darin geschult, Muster zu erkennen. Wir wollen in der Lage sein, zu erkennen: "Oh, das sieht aus, als könnte es eine Borreliose sein" oder "Das ist eindeutig eine Blinddarmentzündung!" Aber die Muster, nach denen wir suchen, erlernen wir in unserer Ausbildung. Wir müssen innehalten und sicherstellen, dass wir diese neuen biologischen und sozialen Variablen sowie die Art und Weise, wie sie sich auf die Behandlung auswirken, miteinbeziehen.

AMBOSS: Sie haben einige diagnostische Aspekte erwähnt. Wie sieht es mit der Behandlung aus? Zolpidem etwa war 2014 das erste Medikament, für das die FDA unterschiedliche Richtlinien für die Dosierung bei Frauen und Männern aufgestellt hat. Gibt es noch mehr Beispiele?

McGregor: Es gibt viele Beispiele dafür, wie sich Medikamente und Dosierung, Nebenwirkungen, Wirksamkeit, Sicherheit und Indikation unterscheiden. Zum Beispiel: Was ist eine Indikation für jemanden, jeden Morgen Aspirin einzunehmen? Bis vor kurzem gab es bei diesen Indikationen keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Zolpidem ist eines der wenigen Medikamente, für das die FDA geschlechtsspezifische Dosierungsempfehlungen gibt. Aber es ist nicht das einzige Medikament, bei dem Unterschiede in pharmakokinetischen dynamischen Parametern festgestellt wurden. Leider hat die FDA oft nicht die Befugnis, Veränderungen anzuordnen, also kann sie Pharmakonzerne nicht dazu zwingen, geschlechtsbasierte Analysen einzubeziehen. Sie spornt diese dazu an, aber sie hat nicht die Möglichkeit, dies zur Regel zu machen. Viele Medikamente, die von Frauen eingenommen werden, wurden auf der Grundlage von Studien mit überwiegend männlichen Teilnehmenden zugelassen. Bei einigen dieser Medikamente stellen wir fest, dass sich ihre Konzentration während des Menstruationszyklus verändert. Bestimmte Klassen von Antikonvulsiva reagieren zum Beispiel sehr stark auf den Menstruationszyklus. Die Patientinnen nehmen diese Medikamente ein, um einem epileptischen Anfall vorzubeugen, und plötzlich verändert der Menstruationszyklus ihren Stoffwechsel und den Wasseranteil in ihrem Körper, sodass das Schutzlevel sinkt und Frauen zu bestimmten Zeiten ihres Menstruationszyklus anfälliger für Krampfanfälle werden. Es gibt nicht viele Richtlinien, wie man die Dosierung an den Menstruationszyklus anpassen sollte. Wir sollten Frauen mittels der für jede Zyklusphase niedrigsten effektiven Dosis schützen, anstatt die Dosis zu erhöhen und häufiger Nebenwirkungen zu riskieren. Es gibt also noch viel zu tun.

AMBOSS: Bei 80 % der Medikamente, die vom Markt genommen werden, geschieht dies aufgrund von Nebenwirkungen bei Frauen. Sollten die Pharmaunternehmen nicht ein Interesse daran haben, dies zu untersuchen? Es scheint ein Sektor zu sein, in dem Veränderungen nur sehr langsam vonstattengehen. Glauben Sie, dass das zunehmende Rampenlicht hilft?

McGregor: Auf jeden Fall. Es gibt so viele verschiedene Komponenten in einem Gesundheitssystem: Von den Pharmaunternehmen, die das Medikament herstellen, über die Zulassung bis hin zu den Ärzt:innen, die es verschreiben, und dann die Überwachung nach der Zulassung – das ist alles sehr, sehr kompliziert. Je mehr wir die einzelnen Komponenten beleuchten, die verändert oder aktualisiert werden müssen, desto mehr hilft das. Auf diese Weise schärfen wir langsam das Bewusstsein aller für potenzielle Gefahren. Sie haben es erwähnt, und ich denke, es ist wirklich wichtig, zu betonen: Es geht nicht nur darum, die Gesundheit von Frauen zu verbessern – es geht darum, die Gesundheit von allen zu fördern. Es ist schlicht bessere Forschung und bessere Medizin.

AMBOSS: Das Thema ist mit vielen gesellschaftlichen Aspekten eng verknüpft. Wie wirkt sich die Tatsache, dass immer mehr Frauen Ärztinnen werden, auf die medizinische Landschaft aus?

McGregor: Ich denke, das ist der entscheidende Punkt. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, ist das der Schlüssel zum Erfolg. Denn Frauen denken an Frauen und Schwarze Frauen denken an Schwarze Frauen und Schwarze Männer denken an Schwarze Männer. Es ist erwiesen, dass Patientinnen besser versorgt werden, wenn sie von einer Ärztin behandelt werden. In einer Studie wurden über eine Million Forschungsarbeiten untersucht. Dabei stellten Forschende fest: Wenn eine Frau das Forschungsteam leitete, war die Wahrscheinlichkeit höher, dass Frauen in die Studie miteinbezogen und die Ergebnisse nach Geschlecht analysiert wurden. Lange Zeit wurden die Bereiche Wissenschaft und Technik, Mathematik und Medizin von weißen Männern dominiert. Wenn wir sowohl biologische als auch soziokulturelle Faktoren einbeziehen, wird dies zwangsläufig auch die Perspektive der Menschen einschließen, die den Code für die App schreiben oder die Forschung konzipieren oder Erkrankte behandeln. Darin sehe ich den wahren Nutzen: dafür zu sorgen, dass Frauen und Menschen mit diversen Hintergründen die Möglichkeit haben, in Führungspositionen erfolgreich zu sein, damit sie Wandel bewirken können.

AMBOSS: Apropos diverse Menschen: Was können wir aus der Forschung über den Einsatz von Hormonen in der geschlechtsangleichenden Therapie lernen?

McGregor: Für mich war das eine der aufregendsten Entwicklungen unserer Forschung, weil es die Wirkungen von Hormonen wirklich deutlich macht. Wenn Geschlecht und Gender nicht übereinstimmen, kann Hormontherapie zur Bestätigung eines Geschlechts genutzt werden. Die geschlechtsangleichende Therapie trägt dazu bei, aufzudecken, wie wichtig Hormone für das Krankheitsrisiko, den Schutz vor bestimmten Erkrankungen oder die Verstoffwechselung bestimmter Medikamente sind. In einer Studie wurde gezeigt, dass sich knapp sechs Monate nach Beginn einer solchen Hormonbehandlung der Stoffwechsel von Medikamenten verändert, weil sich die Nierenausscheidung des Medikamentes an jene des Geschlechts angepasst hatte, das Ziel der Therapie war. Das ist entscheidend, denn wir haben die Bedeutung von Hormonen bisher völlig außer Acht gelassen! Wir sind einfach davon ausgegangen, dass Männer stabile Hormonspiegel haben, aber das ist nicht bei allen der Fall. Und es wurde angenommen, dass Frauen zu komplizierte, schwankende Werte haben, was nicht bewiesen ist. So kompliziert ist es nicht; es lässt sich erforschen und liefert uns mehr Wissen, sodass wir die Dosis von Medikamenten anpassen können oder die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei bestimmten Erkrankungen bedenken können, je nachdem, ob jemand Hormone einnimmt. Bei vielen Studien wird nicht angegeben, wer daran teilgenommen hat. Vor einiger Zeit hieß es in einem Paper, dass wir sicherstellen sollten, immer das biologische Geschlecht – also das Geschlecht bei der Geburt – und die aktuelle Genderidentität zu erfassen. Ich denke, dass wir nun auch fragen müssen: Welche Hormone werden eingenommen? Und für wie lange? Denn das könnte die Analyse und das Ergebnis beeinflussen.

AMBOSS: Welche Botschaft möchten Sie den Kolleg:innen, die dies hier lesen, mit auf den Weg geben?

McGregor: Wir alle spielen hier eine Rolle. Wenn Sie als Peer-Reviewer für eine Zeitschrift tätig werden, sollten Sie die Autor:innen auffordern, eine Analyse nach Geschlecht vorzunehmen. Fangen Sie an, dieses Thema in Ihre Gespräche einzubringen. Auch wenn Sie nicht im medizinischen Bereich tätig sind, müssen Sie sich der Einschränkungen bewusst sein, die das Gesundheitssystem für Frauen bereithält. Wenn meine Mutter, die Mitte siebzig ist, ihren Arzt aufsucht, fragt sie, ob es irgendetwas gibt, das sie beachten sollte, das speziell für sie als Frau gilt. Dieser Arzt denkt jetzt: "Nun, vielleicht sollte ich das nachschlagen" oder "vielleicht sollten Sie Ihre Dosis ändern". Wer Sie auch sind, Sie haben einen Einflussbereich, in dem Sie dazu beitragen können, diesen "Aha"-Moment zu schaffen, ein Bewusstsein zu erzeugen – denn das ist wirklich der erste Schritt.

 

Dr. Alyson McGregor arbeitet seit 20 Jahren als Notfallmedizinerin. Sie ist außerordentliche Professorin an der Warren Alpert Medical School of Brown University und Mitbegründerin und Direktorin der Abteilung “Sex and Gender in Emergency Medicine”. Außerdem hat sie die Organisation “Sex and Gender Women’s Health Collaborative” mitbegründet und ist Autorin der Bücher “Sex Matters” und “Sex and Gender in Acute Care Medicine”.

 

Viele weiterführende Informationen finden sich auf https://www.sexandgenderhealth.org/

Im AMBOSS-Podcast sprechen wir mit Prof. Gertraud Stadler über geschlechtersensible Medizin im ärztlichen Alltag und in der Prävention. Sie ist Leiterin des Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin an der Charité.

Kostenfrei hören auf:

Spotify Apple podcast Deezer Google podcast

 

Im englischsprachigen US-AMBOSS gibt es Inhalte zur Gesundheitsversorgung der Transgender-Community und weiteren Aspekten von Sexualität und Sexualmedizin.

 

Quellen

  1. Nielsen, M.W., Andersen, J.P., Schiebinger, L. et al. One and a half million medical papers reveal a link between author gender and attention to gender and sex analysis. Nat Hum Behav 1, 791–796 (2017). https://doi.org/10.1038/s41562-017-0235-x
  2. Andrew J Webb, PharmD, Dayna McManus, PharmD, BCPS-AQ ID, Ginger E Rouse, PharmD, BCPS, BCCCP, Robyn Vonderheyde, PharmD, BCPS, Jeffrey E Topal, MD, Implications for medication dosing for transgender patients: A review of the literature and recommendations for pharmacists, American Journal of Health-System Pharmacy, Volume 77, Issue 6, 15 March 2020, Pages 427–433, https://doi.org/10.1093/ajhp/zxz355
  3. Clayton JA, Tannenbaum C. Reporting Sex, Gender, or Both in Clinical Research? JAMA. 2016;316(18):1863–1864. doi:10.1001/jama.2016.16405